Sprechen wir nicht mehr über den Papst


Eine Komödie in elf Bildern, die Zeitfenster sind: vom Heute zwölf Jahre zurück und Sprung um Sprung wieder ins Heute.

Milly und ihre Freundin Alda, beide verwitwet, verbringen jedes Jahr Advent und Weihnachten zusammen. Die Gastgeberin Milly, nüchtern, resolut, spottlustig, und die Italienerin Alda, verwöhnt, kränkelnd, rasch beleidigt: zwei Temperamente, unterschiedlicher kultureller Hintergrund. Dies führt immer wieder zu Konflikten, die mit erheiternder Schlagfertigkeit ausgefochten werden. Um ihre Streitereien in Grenzen zu halten, setzen die alten Damen brisante Themen auf einen Index: Essen, Kleider, Ferien, Ärzte, den Papst … Doch mogeln beide, wenn es darum geht, den Index zu beachten.

Was Milly ihrer Freundin an Vernunft voraus hat, kompensiert Alda mit listigen Strategien, unterstützt von ihrem treuen avvocato. – Als unerwartet Schatten der Vergangenheit lebendig werden, gerät die Situation ausser Kontrolle.

Uraufführung: Kellertheater Winterthur, 4. Januar 2003.

Alda: Stephanie Glaser
Milly: Sylvia Lydi
Avvocato: Walter Ruch
Regie und Bühnenbild: Albert Michel Bosshard
Musik (Laute): Antonio Valero

Photo zum Stück

Photo zum Stück

Stephanie Glaser (Alda) und Sylvia Lydi (Milly) in Sprechen wir nicht mehr über den Papst, Kellertheater Winterthur, 2003. (Photos: A. M. Bosshard)

Rezensionen

Weihnachten als Fest der Liebe? Aber nicht doch! Die gute Stube im Christbaum-Ornat ist bekanntermassen ein Nährboden für Gezänk und Gehässigkeiten. So auch in Irène Bourquins neuer Komödie [ … ]
Albert Michel Bosshard setzt in seiner Inszenierung zwei Darstellerinnen ein, die ganz im Sinne der Vorlage physisch und sprachlich stark kontrastieren. Stephanie Glaser spielt Alda, die Nonna einer Familie der italienischen Oberschicht, mit betonter Ruppigkeit, was sich besser aus der Egozentrik der Figur als aus deren Herkunft begründen lässt. Dafür erscheint Sylvia Lydi als Gastgeberin Milly stets wie aus dem Ei gepellt und gibt ihre vornehme Contenance auch dann nicht auf, wenn sie mit gespielter Ahnungslosigkeit aus ihrer Sofaecke spitze verbale Pfeile schiesst. Dass dieser Kontrast die ganze Zeit über in ähnlicher Form weiterbesteht, führt zu einer gewissen Monotonie, die aber durch den originellen Aufbau des Stücks und durch das überraschend bösartige Ende aufgewogen wird.

toh. in: NZZ, 6. 1. 2003

Immer mehr Sachen kommen auf die No-Liste. Aber die verbotenen Wörter rufen Geschichten hervor, die von der Abwesenheit auch der Menschen sprechen: Der Ehemann ist tot, die Kinder sind weg, die Liebe meldet sich nur noch in der Erinnerung. Das Schweigen über bestimmte Dinge soll den Frieden bringen. Aber gerade Unausgesprochenes geht ans Herz.
Irène Bourquins Stück kann gelesen werden als Abzählvers auf ein gespiegeltes Leben. Jedes Wort hat zwei Seiten: eine helle und verdunkelte. Sanatorium kann hier Sex oder Tod bedeuten. Zwei Frauen retten sich mit komischen Manövern und Wortwitz vor ihrer eigentlich tiefgründigen Geschichte. Mit Lügen über die Vergangenheit lässt sich auch die Gegenwart ertragen.
Aufgeführt wird das Stück im Kellertheater dann eher als Komödie – ohne viel Schattenwurf. Der Ton ist liebenswert und heiter. Stephanie Glaser spielt die Alda. Die Figur erscheint auf der Bühne in einer Ungebrochenheit, welche die eingeschriebene Verrücktheit, auch jeden Zweifel ausschliesst. Mit Kabinettstückchen der Komik vertreibt Stephanie Glaser vehement das drohende Gespenst des Tragischen.

Stefan Busz in: Der Landbote, 6. 1. 2003

Das Stück lebt von den kleinen Scharmützeln, Wortgefechten, Tricks und Listen der Damen. Stephanie Glaser erfüllt ihre Alda mit quirliger Energie, kostet genüsslich alle Schrullen der Figur aus und bringt die überdrehte Theatralität der bigotten Mailänderin Alda schön zur Geltung. Sylvia Lydis Milly agiert dagegen mit nüchterner Gefasstheit, verlegt sich auf pikierte Blicke und süffisante Bemerkungen.

Charlotte Staehelin in: Tages-Anzeiger, 6. 1. 2003

In der umsichtigen, liebevoll auf ausschmückende Details bedachten Inszenierung von Albert Michel Bosshard lebt das Stück ohne viel Spannung vor allem vom witzigen Schlagabtausch der Dialoge und vom brillanten Spiel der beiden Protagonistinnen. Stephanie Glaser ist eine trotz ihres Alters sehr muntere und köstlich kauzige Alda, die ihre Schrullen wie ihre Tablettensucht oder ihre Lust auf süsse Naschereien mit genüsslicher Hinterlist ausspielt. Sylvia Lydi zeigt sich als Gastgeberin Milly im Gegensatz dazu ganz als selbstbewusste und gepflegte Dame von Welt, für die es schon einiges braucht, um sie aus der Fassung zu bringen.

Sonja Augustin in: Zürcher Oberländer, 7. 1. 2003

Stephanie Glaser scheint die Rolle der Alda wie auf den Leib geschrieben zu sein. Ihre Augen blitzen, wenn sie aus dem Hinterhalt zu Milly blickt; ihre Entrüstung scheint echt und ist doch aufgesetzt, wenn sie sich von der Freundin in die Enge getrieben sieht. Alda setzt List gegen Vernunft ein, Schalk gegen Spott und entpuppt sich als Kleptomanin von Süssigkeiten. [ … ] Was gemütlich wie ein Kaffeekränzchen beginnt, weitet sich aus, wird spannender, bis Sprachwitz und Situationskomik zu wirken beginnen. Nur die dritte Figur, der Avvocato und Vertraute Aldas, ist eine nicht überaus dankbare Rolle – Walter Ruch [ … ] meistert sie dennoch bestens. Albert Michel Bosshard geniesst das Können seiner Akteure, die die dramaturgische Steigerung – Alda agiert immer unverschämter, Milly reagiert immer konsternierter – exzellent ausspielen. Die Wechsel zwischen den Szenen deutet Bosshard dezent an: mit eigenen Auftritten im Bühnendunkel, mit dem Tausch von Aldas und Millys Accessoires. Und mit dem Lautenspiel des Winterthurers Antonio Valero, der mit seinen zarten Eigenkompositionen an italienische Vorbilder erinnert.

Dieter Langhart-Richli in: Stadtblatt, 16. 1. 2003